Cyriakusgemeinde

Evangelisch in Rödelheim

Silke Schrom

Das schreit zum Himmel…!!! Gottesdienst zuhause am Sonntag Judica, 21. März 2021

Silke Schrom, 21. März 2021
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Gottesdienst

Manchmal kommt es im Leben knüppeldick. Was wir erleben, was uns umtreibt in schlaflosen Nächten, es ist zu viel um es allein zu tragen. Dann muss es heraus. Geklagt und herausgeschrien werden, ungefiltert, ungeschminkt. Dann wird um Sinn und Verstehen, um Trost und Halt, um Recht und Gerechtigkeit gerungen – auch mit Gott.

Judica – Verschaffe mir Recht, Gott! – heißt der heutige 5. Sonntag in der Passionszeit, benannt nach dem ersten Wort im Wochenpsalm 43. Und genau darum geht es in den Texten dieses Sonntag, der in diesem Jahr mit dem Frühlingsanfang zusammenfällt: um das Ringen mit Gott um Gehör, um neue Lebensperspektiven inmitten himmelschreiender Ungerechtigkeit und Leid.

Votum

So gebe uns Gott ein Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz, wenn wir jetzt Gottesdienst zuhause feiern, im Glauben verbunden mit vielen anderen,
im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und der heiligen Geistes. Amen

Psalmgebet aus Psalm 43

Psalm 43, 1-5

1Verschaffe mir Recht, Gott!
Führe meinen Rechtsstreit gegen eine Nation, die nicht verlässlich ist.
Vor Menschen, die betrügen und Unrecht tun, lass mich entkommen!
2Du, du bist der Gott meiner Zuflucht!
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich trauernd umhergehen,
unterdrückt von Menschen, die mich anfeinden?
3Sende dein Licht und deine Wahrhaftigkeit!
Sie sollen mich leiten und mich zu deinem heiligen Berg bringen,
zu den Orten deiner Gegenwart.
4Dann kann ich zu Gottes Altar kommen,
zum Gott meiner jubelnden Freude,
und dir danken mit der Leier, Gott, meine Gottheit.
5Was schnürst du dich zu, meine Kehle? Was stöhnst du gegen mich?
Hoffe auf Gott! Denn ich werde ihn wieder loben,
der mein Antlitz befreit, meinen Gott.

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt – ein leises Hoffnungslied

https://www.youtube.com/watch?v=rb_jQSu6Gms

1Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt –
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

2Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

3Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Text: Jürgen Henkys (1976) 1978 nach dem englischen »Now the green blade rises« von John Macleod Campbell Crum 1928
Melodie: »Noël nouvelet« Frankreich 15. Jh.

Hiobsbotschaften

Hiobsbotschaften sind sprichwörtlich. Schlechte Nachrichten, die einer direkt den Boden unter den Füßen wegreißen können.
Hiobsbotschaften kommen aus einem „Off“, das sich unserem Verstehen entzieht. Unvorhergesehen und ohne Vorwarnung können sie eine treffen. Die Frage nach einem „Warum?“ bleibt unbeantwortet und schreit daher zum Himmel.
Warum diese Krankheit? Warum dieses Leid? Warum mein Kind? Warum die vielen Kinder dieser Erde? Warum ich? Wo bleibst du, mein Gott?

Hiobsbotschaften sind benannt nach dem Mann Hiob, einer Figur aus den Weisheitsbüchern unserer Bibel.
Hiob erlebt so ziemlich alles, was das Leben eines Menschen zur Hölle macht und was den Gedanken an einen wirkmächtigen Gott total in Frage stellt. Schlag auf Schlag trifft ihn, als hätte es jemand auf ihn abgesehen.
Erst rafft Feuer sein Vieh dahin, dann verliert er Haus und Hof. Seine Söhne und Töchter erledigt ein Wüstenwind und schließlich ist er selbst an der Reihe. Von der Sohle bis zum Scheitel quälen ihn Geschwüre über Geschwüre.
Der so gemarterte Hiob zerreißt sein Obergewand, schert sich den Schädel und schmeißt sich in den Staub. Mehr geht nicht.
Womit er das verdient hat? Er weiß es nicht. Beim besten Willen nicht. Niemand versteht es.
Denn, wenn es einen Menschen auf Gottes Erde gab, dem man nichts, aber auch gar nichts, zur Last legen konnte, dann dieser Hiob. Gottesfürchtig, aufrichtig, rechtschaffen.

Hören wir Hiob einmal zu:

Hiob (Ijob) 19, 19-27

19Meine engsten Freunde verabscheuen mich.
Sogar diejenigen, die mir am liebsten sind,
stehen mir feindselig gegenüber.
20Meine Haut klebt nur noch an den Knochen.
Nur das nackte Leben ist mir noch geblieben.
21Habt Mitleid, habt Mitleid mit mir,
ihr seid doch meine Freunde!
Denn Gott hat mich mit diesem Unglück geschlagen.
22Warum verfolgt ihr mich, wie Gott es tut?
Wann hört ihr endlich auf, mich zu zerfleischen?
23Ach, wenn ich mir doch wünschen könnte,
dass meine Verteidigungsrede aufgeschrieben wird –
wie bei einer Inschrift, die man in den Stein ritzt!
24Mit einem Meißel soll man sie in den Fels hauen
und ihre Buchstaben mit Blei ausgießen.
25Ich weiß ja doch, dass mein Erlöser lebt.
Als mein Anwalt wird er auf der Erde auftreten
und zum Schluss meine Unschuld beweisen.
26Mit zerfetzter Haut stehe ich hier.
Abgemagert bin ich bis auf die Knochen.
Trotzdem werde ich Gott sehen.
27Ich werde ihn mit meinen Augen sehen,
und er wird für mich kein Fremder sein.
So wird es sein, auch wenn ich schon halb tot bin.

Hiob ist eine literarische Gestalt, keine historische Persönlichkeit. Das Buch Hiob ist ein sorgfältig komponiertes Stück Literatur in der Bibel. Eine Geschichte mit Rahmengeschichte und einer dramatischen Handlung, die um die Frage kreist: „Warum immer die Guten?“ „Wie kann Gott das nur zulassen, wo ist er überhaupt?“ Das Leben ist so ungerecht! – ein Gefühl, eine Frage, die auch viel von uns zuweilen umtreibt.
Wir lernen verschiedene Personen kennen in ihren oft hilflosen und manchmal auch wenig hilfreichen Versuchen, dem verzweifelten, leidenden Hiob Trost zu spenden. Sie grübeln mit über die Ursache des seines Leidens. Wenn es einen Grund gibt, muss sich doch auch einen Weg aus dem Leid heraus finden lassen. Grundloses, sinnloses Leiden ist so unerträglich.
Schließlich werden wir Zeug*innen einer schier unglaublichen Wende seines Schicksals. Neuer Segen wird Hiob und seiner Frau zuteil; denn nicht nur Hab und Gut, Rinder, Esel und Kamele, sondern auch zehn Kinder, sieben Söhne und drei Töchter, werden ihm ein zweites Mal beschert.
Alles wurde gut, utopisch gut.
Hiob sehnte sich danach, Gott mit seinen Augen sehen zu dürfen, und tatsächlich: Dieser Wunsch wird ihm gewährt: „Jetzt hat mein Auge dich geschaut.“ (Hiob 42,5 BigS 2011)

Wen wird er gesehen haben? Was könnte er erkannt haben? Seine Frau vielleicht? Sie ist und bleibt das Kontinuum in seinem Leben. Sie, die Treue, die Unsichtbare…
Ein Leben lang schon an seiner Seite. Allein im leisen Mitgefühl seiner Frau erlebte Hiob bis zuletzt Menschlichkeit, Treue, Nähe, Mitleid, ja Liebe! Wer, wenn nicht Hiobs Ehefrau, die so unsichtbar bleibt wie Gott selbst, war im tiefsten Dunkel sein einziger Lichtblick? Vielleicht war gerade sie diejenige, die ihm Halt gab, als ihn nichts mehr hielt? Mehr noch: Ist nicht sie der „Gottesbeweis“, nach dem das Hiob Buch fragt? Wo warst du, Gott?

Ein Happy End wie es im Buche steht. Das ist das Schöne an Literatur. Da kann die Fantasie die Wirklichkeit überwinden, unerwartete Spielräume, Hoffnung und neuen Lebensmut schaffen.

Happy End für Hiob – und für uns?!

Das Ende des Hiobbuchs ist alles andere als realistisch. So spielt das Leben nicht, das wissen wir alle. Die Uhr zurückdrehen kann auch niemand. Verlorene Kinder, verlorene Menschen lassen sich nicht ersetzen!
Trotzdem dürfte es nicht fehlen. Angesichts des unermesslichen Elends wirkt es wie ein unübersehbares Feuerwerk, das alles Elend aufzuheben scheint und endlich Gerechtigkeit schafft. Man schaue nur mit dem glücklichen, stolzen Vater auf die drei Töchter. Ihre Namen, nicht die der Söhne, werden erwähnt. Sie waren die Schönsten im Lande. Und: Jede von ihnen erhält ihr Erbteil!

Dieses Licht macht rückwirkend sichtbar, was in Zeiten der Gottverlassenheit nicht einmal zu erahnen war. Die Nähe Gottes. Sichtbar. Fassbar. Hörbar. Erlebbar. Real. Warum nicht in Gestalt seiner Ehefrau? Warum nicht in Gestalt von Menschen, die uns treu bleiben, wenn sich im Leid die „Spreu vom Weizen“ der Freund*innen trennt? So nah und selbstverständlich, dass sie bisher immer übersehen wurde. Wie so viele Frauen im Hintergrund. Wie so viele Menschen, an die wir gar nicht zuerst denken.

Hiobsbotschaft? – Was für eine gute Nachricht!!

Was uns zeitlebens herausfordern wird, sind und bleiben Hiobsbotschaften.
Wir alle wissen nicht, wie es ausgeht, das Abenteuer Leben auf dieser Erde, wie uns das Leben noch so mitspielen wird.
Aber wir sind nicht gottverlassen. Niemals!
Diese – ja, wer hätte das gedacht – gute (!!) Hiobsbotschaft gibt uns eben auch das Buch Hiob mit ins Leben: Ich weiß ja doch, dass mein Erlöser lebt.
Hören wir doch auch sie wie einen Lichtstrahl der Hoffnung! Und schreiben wir sie für alle sichtbar auf unsere Fahnen und hinter unsere Ohren: ***Ich weiß ja doch, dass mein Erlöser lebt. ***
Wem, wenn nicht Hiob und den Menschen, die wie er und seine Frau tiefe Täler durchschreiten mussten, würde man diese Worte abnehmen?
Wenn dieser eine trotzige Gedanke es schafft, sich aus jeder düsteren Hiobsbotschaft heraus Bahn zu brechen, dann haben wir in der größten Not mehr als nichts.
Für heute bedeutet das: Auf die letzten Tage der Passionszeit fällt schon jetzt ein winziger Hoffnungsstrahl, der uns zaghaft zwar, aber doch sichtbar in ein Morgen lotst. Wir kennen ja das Ende! Ich weiß ja doch, dass mein Erlöser lebt.

Im Dunkel unsrer Ängste – Lied mit Fürbitten

https://www.youtube.com/watch?v=l2bkDoiIxNg

Schaffe Recht, Gott, im himmelschreienden Leid und Unrecht in dieser Welt.
So vielen Menschen wird ihr Recht genommen.

1Im Dunkel unsrer Ängste, im Schrei aus unsrer Not:
Du leidest mit an unserem Kreuz, du stirbst auch unseren Tod. Du leidest mit an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.

Ihr Recht auf Schutz und Sicherheit.

2Im Frosthauch unsrer Kälte, im Kampf um Geld und Brot:
Du zweifelst mit an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod. Du zweifelst mit an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.

Ihr Recht auf Schutz und Sicherheit.

3Im Wahnsinn unsres Handelns, im Krieg, der uns bedroht:
Du weinst mit uns an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod. Du weinst mit uns an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.

Ihr Recht auf Leben ohne körperliche, seelische und sexuelle Gewalt.

4In Nächten des Alleinseins, in Tagen ohne Brot:
Du stirbst mit uns an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod. Du stirbst mit uns an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.

Ihr Recht auf Leben ohne körperliche, seelische und sexuelle Gewalt.

5Im Sturm, der nicht zertrümmert, im Schutz für unser Boot:
Du steigst mit uns von unserm Kreuz, besiegst auch unseren Tod. Du steigst mit uns von unserm Kreuz, besiegst auch unseren Tod.

Text (nach Michael Scouarnec:) Diethard Zils, Melodie: Jo Akepsimas

Schaffe Recht, Gott. Sende dein Licht und deine Wahrhaftigkeit, dass sie uns leiten. Höre, was wir heute ganz persönlich auf dem Herzen haben…

Vater unser

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segensbitte

Gott segne und behüte uns.
Gott lasse das Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Gott erhebe das Angesicht auf uns und schenke uns und der ganzen Welt Frieden. Amen.

Forsythien